Samstag, 1. November 2008

Nur ein Wort

Ein Tag, das Wetter, die Beschäftigung. Ich sitze hier und bin. Bin nicht fröhlich, bin nicht einsam. Ich habe eine Beschäftigung und arbeite gewissenhaft. Doch meine Gedanken schweifen ab. Ich denke an Gestern, an Dich, an uns und Morgen. Das Licht geht schon aus, langsam gewöhnen sich meine Augen an den Schein der Straßenlaterne draußen vor dem Fenster. Erst diese Konstellation lässt den Staub, der sich über Jahre am Fenster gesammelt hat, sichtbar werden. Wie ein Schleier hat er wohl unbemerkt Tag für Tag meine Sicht nach draußen vernebelt. Doch da unten links entdecke ich eine Lücke im Staub, der auf meinem Fenster wie Schnee auf einer Winterwiese liegt. Es ist eine Zahl, jemand muss sie mit dem Finger auf das Fenster gemalt haben. Eins fünf fünf neun. Fünfzehn neunundfünfzig. Eintausendfünfhuntertneunundfünfzig. Dort auf dem Fenster nicht mehr als eine Zahl. Doch ich schlage das kleine vergilbte Wörterbuch auf und blättere Seite für Seite weiter. Da steht sie. Die Zahl, eintausendfünfhuntertneunundfünfzig. Knapp darunter dann in kleinen Buchstaben ein Wort: Vergnügt. Ich schaue noch einmal hin. Vergnügt. Mein Atem ist gleichmäßig, der Alltag macht gleichgültig. Doch das Wort löst etwas in mir aus. Wie eine Stimme, die leise anfängt in mir zu singen. Von den Füßen, in meinen Bauch, bis zum Kopf. Meine Hände fangen an zu zittern, die Mundmuskeln spannen sich an und meine Augen öffnen sich weit. Was ist das für ein Gefühl? Ich muss aufspringen und mich bewegen. Im starren Lichtschein der Nacht tanzt nun ein Schatten durch den Raum. Hin und her, fast lautlos, nur das Tapsen auf dem knatschenden Dielenfußboden ist zu hören. Dann Stopp, ich renne zum Fenster, an die Stelle, an der die kleinen Ziffern auf mich gewartet hatten. Fest Presse ich meine Nase an die kalte Scheibe, starre nach draußen und sehe die Straße. Jetzt muss ich lachen. Über mich, über die Bedeutungslosigkeit der Dinge, die auf meinem Schreibtisch liegen. Über die menschenleere Straße und über diese Nacht. Es wird eine lange werden, denn ich bin vergnügt. Ich bin die Nacht, das Gefühl und die Freiheit.

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