Dienstag, 25. November 2008

Bitte dreh dich nicht

Bitte dreh dich nicht um. Ich stehe hier und sehe dich dort unten sitzen. Einsam an deinem Tisch, ein Stockwerk tiefer, die offene Architektur ermöglicht den Blick. Konzentriert schaust du auf den Bildschirm, die Maus in der Hand, eine Flasche Wasser in der anderen. Es ist dein Platz, du sitzt mit dem Rücken zu mir. Bleib so, es ist schön dir zuzusehen. Bitte dreh dich nicht.

Ein anderer Tag, du sitzt da, ein Mann neben dir. Zusammen wühlt ihr durch Blätter, gestikuliert, nickt im Einverständnis. Du bist nicht allein, um dich herum sitzen auch die Anderen. Nur eine Bewegung in die falsche Richtung, ein unschuldiger Blick, und ich wäre enttarnt. Bitte dreh dich nicht.

Ich wende mich ab, vergrabe die Hände tief in den Anzugtaschen. Blicke durch den Raum, erwache aus diesem Tagtraum. Hier oben ist mein Platz, doch du kennst ihn nicht. Ich lasse mich wieder in den Schreibtischstuhl sinken, nehme einen Schluck Wasser und Blicke auf die Uhr.

Ich stehe auf, strecke mich. Gestützt auf das Geländer, der Blick hinab, ein leerer Stuhl. Du bist nicht da. Nur deine Handtasche und ein Handy verraten, dass du nicht weit sein kannst. Mein Blick schweift durch den Raum, müde reibe ich mir die Augen. Meine Wasserflasche ist leer, ich gehe zur Tür. Sie öffnet sich.

Du stehst vor mir, siehst mich verdutzt an. Ich kann deine Augen sehen,  zum ersten Mal. Mit einer Hand hältst du die Tür auf, links ist Platz, doch du bewegst dich nicht. Dein irritierter Blick weicht einem verlegenen Lächeln. Ich bin wie gelähmt, stehe nur da. Doch dann öffne ich den Mund und sage diese Worte. Zum ersten mal laut und nicht nur in Gedanken. Es ist schön dich zu sehen. Bitte, bitte dreh dich nicht.

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